Politik

Pegida - Lutz Bachmann auf Deutschlandtour

Auftakt in Kassel ein Flop


Wenig los bei "Pegida"-Kundgebung (Quelle: Vista Images)
Bachmann (mi.) und Viehmann (li.)
(Quelle: Vista Images)
GDN Kassel - Die rechtspopulistische und fremdenfeindliche Bewegung “Pegida“ siecht vor sich hin. Ihr Begründer, der als Hitlerimitator zu unrühmlichen Ehren gekommene Lutz Bachmann, versucht, die sterbenden Reste noch künstlich am Leben zu halten. Dazu tourt er zurzeit durch Deutschland.
Der Platz vor dem Kulturbahnhof
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Ein sonniger, etwas kühler Samstagnachmittag mitten in Deutschland. Vor dem Kulturbahnhof in Kassel stehen im großen Rund Absperrgitter, davor und dahinter eine große Anzahl Polizisten. Innerhalb des Gitterkäfigs sieht man etwa zwanzig Menschen, überwiegend Männer, die scheinbar entspannt in der Sonne sitzen. Hier soll also der Auftakt der angekündigten Deutschlandtour des “Pegida“-Führers Lutz Bachmann stattfinden. Kassel dürfte er sich vor allem als Referenz an seinen Bruder im Geiste, Michael Viehmann, ausgesucht haben. Viehmann bemüht sich seit Wochen hartnäckig, seinen ursprünglich “Kagida“ genannten, späten als “Pegida Kassel“ umfirmierten Ableger des Dresdner Originals am Leben zu halten. Doch mehr als 20 bis 30 Teilnehmer, zumeist aus der rechtsextremen Szene, bekommt er nicht zusammen. Nun also der Versuch mit Bachmann, der angekündigt hat, die Hooliganfreundin und Kandidatin für die Dresdner Oberbürgermeisterwahl Tatjana Festerling mitzubringen. Unter denen, die auf dem Platz warten, sind daher auch einige auszumachen, die aus der Kasseler Hooliganszene stammen, darauf deuten die Fanutensilien des örtlichen KSV Hessen Kassel hin, die sie tragen.
Caricatura erläutert "Pegida"
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KSV Hessen Fanschal
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Angereiste Bachmann-Fans
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Ankunft von Bachmann
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Plötzlich kommt in hohem Tempo ein schwarzer SUV mit Oldenburger Kennzeichen angerast. Auf dem Beifahrersitz ist Vicky Bachmann, Ehefrau von Lutz, zu erkennen. Das Auto stoppt an der Polizeiabsperrung kurz und verschwindet dann auf der Südseite des Bahnhofs. Wenige Minuten später betreten das Ehepaar Bachmann und Tatjana Festerling, von einigen Polizisten begleitet, den eingegitterten Platz und werden dort von Michael Viehmann herzlich begrüßt. Viehmann und seine Begleiterin Nicole Gasse, Sängerin der Bands “Sana“ und “Nocturne“, haben vor einige Zeit das Ehepaar Bachmann in Dresden besucht und sind dort, wie sie auf ihren Facebookprofilen der Öffentlichkeit mitteilten, das Nachtleben gemeinsam genossen. Nun also der Gegenbesuch in Kassel, welche Lokalitäten sie dort besuchen, bleibt dieses Mal geheim.
Viehmann herzt Vicky Bachmann
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Fotosouvenir...
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... und Begrüßung der treuen Fans
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Lutz Bachmann
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Bachmann, zurückgetretener und vom Rücktritt ebenfalls wieder zurückgetretener Chef der von ihm begründeten “Pegida“, im weißen T-Shirt mit entsprechendem Schriftzug, muss zuerst einmal für zahlreiche Fotos mit seinen Jüngern posieren. Inzwischen haben sich einige weitere Personen eingefunden, die nach mitgebrachten Schildern aus München, Hamburg und Frankfurt - hier will Bachmann am kommenden Dienstag reden - extra nach Kassel gekommen sind. Noch während sich geherzt und Fotos gemacht werden, entsteht plötzlich Unruhe. Rufe nach der Polizei erklingen. Der Grund: Auf dem Dach des Kulturbahnhofs sind drei schwarz gekleidete und vermummte Personen auszumachen. Diese Drei weit oben auf dem Dach reichen offensichtlich aus, den Wutbürgern so viel Angst einzujagen, dass sie Schutz bei der Staatsmacht suchen, obwohl sie ja sonst von der Exekutive wenig halten. Später wird Tatjana Festerling den “Mut“ der Anwesenden würdigen, weil sie sich trauen, am hellen Tag zu dieser Veranstaltung zu kommen. Ja, da gehört schon viel Mut zu, sich, gut bewacht von einigen hundert Polizisten, ein paar Reden anzuhören.
Lutz Bachmann
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Ehefrau Vicky Bachmann
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Brüder im Geiste: Bachmann & Viehmann
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Transparentaktion vom Bahnhofsdach
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Die drei Personen auf dem Dach lassen dann lediglich ein Transparent herab, das dann eine Zeitlang neben dem extra zu diesem Anlass aufgehängten Großtransparent der “Caricatura“ im Wind flattert. Später wird es von der Polizei wieder entfernt, die Dachstürmer nach Polizeiangaben zusammen mit weiteren angeblichen Helfern werden festgenommen. An dieser Stelle sollen auch die erwähnt werden, die sich auf der anderen Seite des Platzes eingefunden haben, um ihren Protest gegen die Kundgebung der rechtsextremen “Pegida“-Anhänger zum Ausdruck zu bringen. Wenig überraschend, dass sie das Hissen des Transparents mit lautem Beifall begleiten. Während die in der Regel montags stattfindenden “Kagida“-Treffen seit Monaten von der Öffentlichkeit in Kassel ignoriert werden, hat zu diesem besonderen Anlass “Die Partei“, die schon vorher mit einigen phantasievollen Slogans (“Wirr ist das Volk!“) aufgefallen war, aufgerufen: “Die PARTEI heißt den Pegidahitler und Kackida herzlich NICHT willkommen!“ Etwa 250 Gegendemonstranten hatten sich trotz der gleichzeitig nur wenige hundert Meter entfernt stattfinden Aktionen gegen die Freihandelsabkommen, bei denen rund 600 Teilnehmer gezählt wurden, eingefunden. Abgeschirmt durch eine Reihe von Mannschaftswagen der Polizei begleiteten sie das Geschehen auf der anderen Straßenseite verbal und mit Plakaten. Versuche einzelner der Pegidagegner, sich im öffentlichen, nicht abgesperrten Raum zu bewegen, wurden seitens der Polizeikräfte unterbunden, dabei kam es auch zu Festnahmen.
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Gegen "Pegida"
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NPD-Kader Jagsch u. Lachmann (Mitte)
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Bevor Lutz Bachmann sein übliches “Wir sind nicht rechts!“ verkünden konnte, betrat eine weitere größere und sichtbar gut organisierte Gruppe den Kundgebungsplatz. Angeführt von ihren Führungskadern Stefan Jagsch (Landesvorsitzender) und Daniel Lachmann hatte die hessische NPD wohl zu einer Mitgliedervollversammlung aufgerufen. Etwa 20 Männer stellten sich gut sichtbar mit einem Transparent vor der Rednerbühne auf. Berührungsängste mit dieser Gruppe hatte auch Bachmann nicht, der sich später gemeinsam mit seiner Ehefrau dazu gesellte und Tatjana Festerling zuhörte. Aber das ist auch wenig verwunderlich, finden sich doch unter den regelmäßigen Teilnehmern der “Kagida“-Treffen neben einschlägig bekannten Angehörigen der rechtsextremistischen Szene Kassels auch solche aus dem Umland. Jagsch und Lachmann waren ebenso wiederholt dort wie ihre Gesinnungsfreunde aus dem Eichsfeld. Träger szenetypischer Bekleidung (Lonsdale, Thor Steinar) oder mit Slogans der “German Defence League“ waren auch an diesem Samstag auszumachen.
Thor Steinar Pullover
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German Defence League
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Szentypischer Aufdruck
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NPD Kader
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Peter Marx, ehemaliger NPD Generalsekretär
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Keine Berührungsängste: Bachmann und die NPD
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Tatjana Festerling
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Nachdem sich so nach und nach neben den üblichen 20 bis 30 “Kagida“-Teilnehmern, den Bachmann-Touristen aus anderen Städten und den NPD-Kadern etwa 50 bis 60 Personen eingefunden hatten, konnten dann Bachmann und Festerling ihre vorbereiteten Reden ablesen. Beide bedauerten die geringe Teilnehmerzahl. Offensichtlich hatten sie andere Erwartungen. Den Grund sieht Festerling natürlich nicht in darin, dass sich die Wutbürgermärsche von "Pegida" totgelaufen haben, sondern darin, dass es "Mut" bräuchte, das von Hundertschaften Polizei geschützte Versammlungsrecht wahrzunehmen. Über die angeblich zu hohen Kosten, die für die unerwünschten Flüchtlinge aufgewendet würden, klagen Festerling und Bachmann im Einklang mit der anwesenden NPD. Über die Millionen, die die Polizeieinsätze, die "Pegida" Woche für Woche verursacht, verlieren sie kein Wort. Aber der Abwärtstrend von “Pegida“ war auch an diesem Nachmittag unzweifelhaft sichtbar. Oder, wie es ein Gegendemonstrant skandierte: “Ohne Nazis wärt ihr nur zu viert!“.
Angereist aus Hamburg, ...
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..., Festerlings Heimatstadt.
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Frankfurt ist Bachmanns Ziel am Dienstag
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Massive Polizeipräsenz
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Einzelne Festnahmen von Gegendemonstranten
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"Pagida" und Gegendemo weit getrennt
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Meinungsfreiheit nach "Pegida"-Art
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Danach zog der Tross, wieder bestens bewacht von zahlreichen Polizisten, einmal um den Block. Dabei wurde deutlich, was “Pegida“ unter der eingeforderten Meinungsfreiheit versteht, nämlich nur, die eigene Meinung ungestört verbreiten zu dürfen. Denn von Pressefreiheit halten die Wutbürger nichts. Auf dem Marsch über Kassels Straßen wurden wiederholt Pressefotografen massiv verbal attackiert, fotografiert und bedroht: “Wir haben dein Bild und deinen Namen, deine Adresse bekommen wir auch noch.“ Eine Fotografin, die die begleitenden Polizisten bat, dagegen einzuschreiten und die verfassungsrechtlich garantierte Pressefreiheit zu gewährleisten, wurde lapidar darauf verwiesen, sie könne ja Anzeige erstatten.
Viehmann fotografiert ...
Quelle: Vista Images
... und droht Pressefotografen.
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Das Ende naht
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Auch wenn Lutz Bachmann angedroht hat, er wolle wiederkommen, kann als Resümee dieses Tages stehen, das Ende von “Pegida“ ist in Sicht. Aber wie ein Raubtier, das merkt, dass es dem Ende zugeht und es noch einmal eine besondere Aggressivität entwickelt, reagiert auch “Pegida“, das eigene Ende vor Augen. Gab es in den ersten Wochen noch eine gewisse Gelassenheit, was die Beobachtung durch die regelmäßig geschmähte freie Presse anging, hat sich das deutlich verändert. Vielleicht mag das aber auch damit zusammenhängen, dass die Versammlungen jahreszeitbedingt nun bei Tageslicht stattfinden und die Teilnehmer doch lieber im Schutz der Dunkelheit agieren. Die wenigen verbleibenden Wochen wird sich das zwei Dutzend “Pegida“-Anhänger in Kassel allerdings wieder ohne Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit treffen können.
Facebook-"Fahndungsaufruf" gegen Pressefotografen
Quelle: Screenshot Facebook
Nachtrag: Wie dieses Beispiel zeigt, greifen die Anhänger von "Pegida" bei ihrer Aggression gegen die Medien inzwischen zu allen Mitteln. Die mit "Pegida" sympathisierende Seite "GfD Gemeinsam für Deutschland" veröffentlichte am Montag einen "Fahndungsaufruf" gegen einen Pressefotografen. Dazu wurde dessen Foto veröffentlicht (wir haben auf dem Screenshot das Gesicht unkenntlich gemacht). Das Foto wurde in kurzer Zeit mehr als achtzigmal geteilt. Die Kommentare auf der Seite unter dem Foto sind zum Teil eindeutig und rufen zur Gewalt gegen den Fotografen auf. Die von Beginn an durch Lutz Bachmann und andere, etwa auch Michael Viehmann in Kassel, betriebene Hetze gegen die angebliche "Lügenpresse" trägt Früchte, die auch vor Verfolgung einzelner nicht Halt macht. Die kürzlich verschickten fingierten Todesanzeigen gegen Journalisten in Dortmund zeigen die so geschaffene Atmosphäre in erschreckender Weise.
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