Neun Jahre nach dem Mord - Gedenken an Halit Yozgat

GDN - Vor neun Jahren wurde in Kassel der Geschäftsmann Halit Yozgat in seinem Internetcafe ermordet. Er war das neunte von bislang zehn bekannten Opfern des rechtsterroristischen "Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU)". Zu seinem Gedenken fand am Ostermontag in Kassel eine Gedenkveranstaltung statt.

Mehrere Hundert Bürgerinnen und Bürger aus Kassel kamen am Ostermontag auf den nach Halit Yozgat benannten Platz unweit des Ladenlokals in der Holländischen Straße 82, in dem er am 6. April 2006 von seinem Vater niedergeschossen gefunden wurde. Er starb kurz darauf noch am Tatort in den Armen von Ismail Yozgat. In bewegenden Worten schilderte dieser bei der Gedenkveranstaltung diesen Tag. “Ich wünsche niemanden, so etwas erleben zu müssen.“ Ismail und Ayse betrauerten im Kreise vieler Familienangehöriger, Freunde und Vertreter der Zivilgesellschaft in Kassel ihren ermordeten Sohn. Noch immer wünschen sie sich, darauf wiesen sie mit einem kleinen Schild und Ismail auch in seiner Rede hin, dass die Holländische Straße nach ihrem Sohn umbenannte werden möge. “Wir danken Bürgermeister Hilgen dafür, dass dieser Platz nach Halit benannt wurde“, erklärte Ismail Yozgat, doch der Wunsch der Familie sei das nicht gewesen.

In einer großen Geste begann Ismail Yozgat seine bewegenden Rede nicht etwa mit der Erinnerung an seinen Sohn oder gar Vorwürfen gegen die Täter und deren Unterstützer, sondern er gedachte der Opfer des Absturzes der Germanwingsmaschine vor einigen Tagen in Frankreich und erklärte sein Mitgefühl mit den Angehörigen der Opfer: “Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn man einen Angehörigen verliert.“ Das Oberlandesgericht in München, wo die Mordserie verhandelt wird, forderte Ismail Yozgat zu einem Lokaltermin in Kassel auf. Denn nach wie vor sind die Umstände des Mordes nicht völlig aufgeklärt, insbesondere, ob und welche Rolle die Anwesenheit des damaligen Mitarbeiters des Verfassungsschutzes, Andreas Temme, zum Tatzeitpunkt im Internetcafe, spielte. Unklar ist auch, ob die Attentäter Helfer aus der Kasseler Neonazi-Szene hatten. “Ich glaube Herrn Temme kein Wort“, meinte der Vater des Kasseler Mordopfers.

Die Ombudsfrau der Bundesregierung, Barbara John, bedankte sich bei der Stadt Kassel und ihren Bürgern dafür, dass sie das Gedenken an Halit Yozgat in dieser Weise aufrechterhalten. “Das ist etwas ganz Besonderes“, sagte sie. Um besser zu verstehen, wie es den Familienangehörigen nach den Taten gegangen sei, als Polizei und andere Behörden die Täter im familiären Umfeld suchte oder den Opfern unterstellten, in kriminelle Machenschaften verwickelt gewesen zu sein, forderte Frau John auf, das Buch “Unsere Wunden kann die Zeit nicht heilen“. In diesem Band kommen die Angehörigen selbst zu Wort. Ufuk Ekic, türkischer Generalkonsul, verwies mit Blick auf die große Unterstützung, die die Familie Yozgat in Kassel erhalten habe, darauf, dass der perfide Plan der Attentäter nicht aufgegangen sei. “Sie wollten Hass und Zwietracht säen, das ist ihnen nicht gelungen“, betonte er.

Wie auch schon Ismail Yozgat betonte Timo Glatz als Sprecher der “Initiative 6. April“, dass vieles noch unaufgeklärt sei. Auch er fragte nach der ungeklärten Rolle des ehemaligen Verfassungsschützers Temme, aber auch seines damaligen V-Mannes Benjamin Gärtner , der nach vorliegenden Informationen zu einigen der jeweiligen Tatzeitpunkten auch in anderen Städten war. Timo Glatz, der auch die Kölner Initiative “Keupstraße ist überall“ (in der Keupstraße verübten die NSU-Terroristen einen Bombenanschlag) vertritt, fragte auch nach der Rolle des heutigen Ministerpräsidenten Bouffier, der Temme und anderen nur eine eingeschränkte Aussagegenehmigung gegeben habe. Ein Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags versucht derzeit, mehr Licht in das Dunkel dieses Mordfalls zu bringen. Weitere Bilder von der Gedenkveranstaltung finden Sie in unserer Fotogalerie.