Musik

Tramps like us - dem Boss auf der Spur

Bruce Springsteen in Deutschland


Bruce Springsteen and The E Street Band (Quelle: heldmann-images)
Ein besonderes Erlebnis: Bruce Springsteen live
(Quelle: heldmann-images)
GDN - 1985 war es, als ich den “Boss“ das erste Mal live erlebte. Damals hieß das Stadion in Frankfurt noch “Waldstadion“. Ich weiß nicht mehr, wie ich es geschafft hatte, aber ich stand nur wenige Meter von der Bühne entfernt. Ab da war ich infiziert!
Springsteenfans zelebrieren das Konzert
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Aber noch nie so etwas wie diesen Rock `n´ Roller mit seiner “E Street Band“ aus New Jersey. Es war ein Erlebnis, das mich nie wieder loslassen sollte. Keine Vorgruppe, mehr als drei Stunden volles Programm. Heute gehöre ich zu den Hardcorefans Bruce Springsteens. Zugegeben, es gibt noch Härtere. Wie zum Beispiel den, der vor einigen Tagen in München sein einhundertstes Konzert erlebte. Oder die, die heute noch auf Anhieb aufzählen können, welche Songs am 15. Juni 1985 im Waldstadion gespielt wurden. Aber in den letzten 28 Jahren habe ich keine Tour in Europa mehr verpasst, natürlich jede LP und CD gekauft, die seitdem erschienen sind (und einige ältere auch noch). Selbstverständlich habe ich den “Boss“ inzwischen auch in seiner Heimat, im Madison Square Garden in New York genauso wie im Giants Stadium in East Rutherford in News Jersey erlebt. Aber dass so etwas wie Abgeklärtheit eingetreten wäre, kann ich beim besten Willen nicht sagen.
Der Boss bittet zum Tanz
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Auch wenn ich letztes Jahr schon fünf Konzerte der aktuellen “Wrecking Ball“-World Tour genossen hatte, stand außer Frage, dass die vier Deutschlandkonzerte in diesem Sommer Pflichttermine sein würden. Nun war es endlich soweit, am 26. Mai fand das erste Konzert in München statt. Wen interessiert da schon, dass Kälte und Dauerregen angesagt waren, wenn der “Boss“ aufspielt. Wobei, ich bin da ja eher ein Weichei. Die richtig Harten sitzen nämlich schon drei Tage vor dem Konzert vor dem Eingang, um wirklich ganz vorne zu stehen, das “Front of Stage“-Ticket allein reicht dafür nicht. Und sie werden vom Boss belohnt, so wie zum Beispiel Silke und einige andere Frauen, die er in München zum “Dancing In The Dark“ auf die Bühne holt. Oder Tessa, die bereits am Freitagvormittag in Hannover vor dem Stadion Platz genommen und auf den Deutschlandauftakt in München verzichtet hatte. Sie wurde zum Bandmitglied auf Zeit; Bruce holte sie nicht nur auf die Bühne, sondern drückte ihr eine Gitarre in die Hand - und sie spielte mit der E Street Band vor 40.000 Fans, als sei das das Normalste der Welt.
Regen? Na, und!
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Also, am Sonntag in den ICE, Gepäck in´s Hotel, Regenmantel, Hut, wasserfeste Schuhe und dann zur Regenparty in das Olympiastadion. Es reicht immer, um einen Platz etwa zehn Meter vom Bühnenausleger, den Springsteen mehrfach entern wird, zu sichern. Es regnet ununterbrochen, mal heftig, mal heftiger, aber das stört die Stimmung im Pit, dem abgesperrten Bereich für rund 1500 Fans direkt vor der Bühne überhaupt nicht. Und dann geht es los, um 19.16 Uhr betritt Bruce Springsteen die Bühne, alleine, mit akustischer Gitarre und Mundharmonika. “Wo´ll stop the rain“, den Klassiker von John Fogerty, spielt er zur Eröffnung. Danach kommt die Band und ein Kracher folgt dem anderen. “Long Walk Home“, “My Love Will Not Let You Down“, “Out In The Street“ und “Seaside Bar Song“, der erste von mehreren Publikumswünschen an diesem Abend, folgen.
Mit den Miami Horns
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Neunundzwanzig Titel werden es gegen 22.08 sein, wenn die Band die Bühne nach “Rockin´All Over The World“ und “Twist And Shout“, übrigens auch schon der Abschlusssong bei meinem ersten Liveerlebnis Bruce´s, wieder verlässt. Es ist eine so genannte Album-Show, denn eingebettet sind die Stücke eines kompletten Albums, “Born In The USA“, das Album, das mich vor 28 Jahren in das Waldstadion gelockt hatte. Fast drei Stunden alte und neue, bekannte und weniger gespielte Songs, ohne Pause - mehr kann man kaum erwarten. Dazu eine E Street Band, die vor Spielfreude sprüht; ein Bruce Springsteen, der rennt, und ackert, die Fans umarmt, die Band antreibt. Das ist es, was wir seit Jahrzehnten kennen und lieben; “Wir“, die Fangemeinde, inzwischen auch auf Facebook und in Foren verlinkt. Hier treffen wir uns im realen Leben und feiern gemeinsam eine große Party.
Fans bestimmen das Programm mit
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Zwei Tage später. Die Sonne scheint, es ist warm. Gegen 14 Uhr sind schon rund 500 Fans vor dem Südeingang, der für die “Front of Stage (FoS)“-Tickets reserviert ist, am Stadion in Hannover versammelt. Ich bekomme Nummer 520. Der so genannte “Roll Call“, eine selbstorganisierte Sortierung, die gewährleistet, dass die, die zuerst da waren, auch vorne stehen werden, klappt inzwischen einwandfrei. In acht Reihen mit jeweils rund 80 Fans warten wir vor den Eingängen. Die Ordner verteilen die begehrten Bändchen, die den Einlass in den vorderen Bereich gewährleisten und die am Arm symbolisieren, ich bin nicht nur irgendein Fan, sondern gehöre dazu.
Tessa rockt mit der E Street Band
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Die später Angekommenen haben ihre extra Linie, da ist es unruhiger, es wird gedrängelt, lange bevor die Tore aufgehen. Als es dann soweit ist, versuchen zwei “Nummernlose“ sich mit dem Argument, “Ich habe genauso viel bezahlt!“, mit hinein zu drängeln. Die Ordner haben das aber alles im Griff. Dass das gleiche Paar dann später im FoS noch einmal versuchen, sich nach vorne zu drängeln, ist eher ungewöhnlich. Insgesamt herrscht große Gelassenheit bei aller angespannten Vorfreude. Ich lerne einige Fans aus Hamburg, Stuttgart und Leipzig kennen, die ich bisher nur per Namen aus einem der Foren kannte. Es ist, als würden wir uns schon lange persönlich kennen, die Bruce-Leidenschaft verbindet.
Jake Clemons am Saxophon
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Dann geht es auch in Hannover los. Dieses Mal kommt die Band, wie schon während der gesamten Tour verstärkt durch die Miami-Horns, auf die Bühne, der Boss als Letzter. “Land Of Hope And Dreams“ ist der Opener um 19.34 Uhr. Es herrscht, wie immer, beste Stimmung, “Bruuuuce“-Rufe, Finger nach oben, bei einigen Stücken eine eingespielte Choreografie der Tramps, wie wir Fans uns selber nennen - nach der Zeile aus “Born To Run“: “'Cause tramps like us, baby we were born to run“. Und es ist doch immer wieder neu. Mit “Roll Of The Dice“ gibt es eine Tourpremiere, solo von Bruce gespielt. Der Boss badet in der Zuneigung seiner Fans, lässt sich zweimal ein Bier reichen und persifliert das Regenkonzert vom Sonntag. Und er ist und bleibt der Boss. Mit “Steve“ (van Zandt), “Max“ (Weinberg) oder “Jake“ (Clemons), dem Neffen des unvergessenen und viel zu früh verstorbenen Clarence Clemons, fordert er die Einsätze seiner Bandmitglieder.
I can´t hear you!
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Um 22.06 Uhr ist der erste Programmteil zu Ende, die Band bedankt sich, nimmt den Applaus entgegen - und nimmt die Instrumente wieder auf. Ohne großes “Zugabe“-Brimborium kommt der Nachschlag, u.a. mit den bejubelten und lautstark mitgesungenen “Seven Nights To Rock“, “Dancing In The Dark“ und “Tenth Avenue Freeze-Out“ als Reminiszenz an “The Big Man“ Clarence Clemons. Nach “American Land“, dem dreißigsten Stück, davon achtzehn andere als in München, ist dann tatsächlich Schluss. Wie immer verabschiedet der “Boss“ Bruce zuerst die Band, jeder Musiker bekommt einen Schulterklopfer, ein paar Dankesworte, bevor er sich noch einmal seinen Fans zuwendet, sich bei uns bedankt und nach drei Stunden und 22 Minuten die Bühne verlässt. Mein 25. Bruce Springsteen-Konzert ist zu Ende und ich bin genauso beseelt, wie bei den 24 davor.
Die Show ist aus - bis zum nächsten Mal
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Wir feiern dann noch etwas weiter, in der “Nordkurve“, wo sich sonst die Fans von Hannover 96 treffen, bis der Regen einsetzt, wie wir das ja noch gewohnt sind. Dann zerstreuen wir uns langsam auf die ganze Republik. Aber in vier Wochen sehen wir uns wieder, am 5. Juli in Mönchengladbach und am 7. Juli in Leipzig. Dann heißt es wieder: “Bruuuuce!“
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